FV Kirchturm lädt ein zur Benefiz-Lesung

Schlosskirche Buch

Schlosskirche Buch

Der Förderverein Kirchturm lädt Sie herzlich zu einer Benefizveranstaltung:

Herr Jürgen K. Hultenreich liest am Freitag, den 12. April 2019, 18 Uhr im Gemeindehaus aus seinem neuen Buch

„Hölderlin. Das halbe Leben. Eine poetische Biographie“.

Musikalische Umrahmung durch Studenten der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“.

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Hultenreich ,1948 in Erfurt geboren, studierte Bibliothekswissenschaften in Leipzig, verließ 1985 die DDR und lebt seitdem als freier Autor im Berliner Wedding,.

Veröffentlichungen: u.a. „Die 748-Schritte-Reise“ (Erzählung, 1996), „Die Entfernung der Nähe“ (Kurzgeschichten, 1997), „Zerbrochene Krüge“ (Krimis, 1998), „Die Schillergruft“ (Roman,2001), „Im Koffer nur Steine“ (Erzählungen), „Westausgang – 64 Storys“ (2005)

1990 Marburger Literaturpreis. 2013 Kestler-Haeusler-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung.

Seit 2008 widmet er sich zunehmend der Malerei, er <tuschiert> und bezeichnet sich selbst als <Tuschör>. Ausstellungen im In- und Ausland.

Jürgen K. Hultenreich – »Hölderlin. Das halbe Leben. Eine poetische Biographie«

Ge­le­sen von Jens Kirs­ten

Jür­gen K. Hul­ten­reich hat mit »Höl­der­lin – Das halbe Leben« eine poe­ti­sche Bio­gra­phie vor­ge­legt, die ein Glücks­fall für die Höl­der­lin-For­schung und für die deut­sche Li­te­ra­tur ist. Der Autor reißt mit sei­nem Buch den geis­ti­gen Ho­ri­zont einer gan­zen Epo­che auf, die mit dem Den­ken von Hegel, Schel­ling, Höl­der­lin, Fich­te und an­de­ren ein­ge­lei­tet wurde. Wie der Autor die Fäden der ent­ste­hen­den Freund­schaf­ten zwi­schen Höl­der­lin, Hegel und Schel­ling auf­nimmt, im Ver­lauf sei­nes Bu­ches ver­webt und bio­gra­phi­sche Zu­sam­men­hän­ge mit phi­lo­so­phi­schen Fra­gen ver­knüpft, be­rei­tet höchs­tes Le­se­ver­gnü­gen. Mit Hegel und Schel­ling, die wie Höl­der­lin 1790 Theo­lo­gie-Stu­den­ten im Tü­bin­ger Stift waren und be­reits Stun­den vor dem mor­gend­li­chen We­cken mit­ein­an­der über abend­län­di­sches Den­ken dis­ku­tier­ten, ver­band Höl­der­lin eine na­he­zu le­bens­lan­ge Freund­schaft.

Das Tü­bin­ger Stift galt Ende des 18. Jahr­hun­derts als Fun­dus für Haus­leh­rer, die man sei­ner­zeit nicht ohne ent­spre­chen­de Re­fe­ren­zen ein­stell­te. Mit sub­ti­ler Verve schil­dert Hul­ten­reich Höl­der­lins Auf­ent­hal­te als Haus­leh­rer in ver­schie­de­nen Häu­sern, die er, der fi­nan­zi­el­len Not ge­hor­chend, an­trat und die meist ein ab­rup­tes Ende fan­den wie im Haus der Char­lot­te von Kalb in Wal­ters­hau­sen, deren Sohn er we­ni­ger zu un­ter­rich­ten hatte, als dass er ihm das ex­zes­si­ve Ona­nie­ren aus­trei­ben soll­te. Dass Höl­der­lin sich in »in Schil­lers Hör­wei­te« ins Go­t­hai­sche Wal­ters­hau­sen träum­te, liegt für Hul­ten­reich nahe, we­ni­ger je­doch, dass sich zahl­rei­che sei­ner Bio­gra­phen nicht um einen ge­nau­en Blick be­müh­ten.

Jürgen Hultenreich

Jürgen Hultenreich

Char­lot­te von Kalbs Wohn­ort, der eben­falls Wal­ters­hau­sen hieß, lag im frän­ki­schen Grab­feld an der Milz und nicht in Thü­rin­gen. Hul­ten­reich geht es dabei nicht um Recht­ha­be­rei. Auf­fäl­lig ist für ihn nur, dass er in der Höl­der­lin-For­schung häu­fi­ger auf der­lei Un­acht­sam­kei­ten stößt. Hul­ten­reich kon­sta­tiert an­ge­sichts des Um­stan­des, dass man­cher Bio­graph dort, wo keine Ant­wort parat lag, ins Reich der Mut­ma­ßun­gen aus­wich: »Nichts ist ge­fähr­li­cher bei Höl­der­lin, als die Über­las­sung sei­ner Schrif­ten an sub­jek­ti­ve Hand­le­se­rin­nen.« Ent­ge­gen allen Spe­ku­la­tio­nen stellt Hul­ten­reich dort, wo Lü­cken be­ste­hen, die rich­ti­gen Fra­gen und re­sü­miert: »Nur die un­lös­ba­ren Rät­sel sind stark genug, Jahr­hun­der­te zu über­dau­ern.« Über Höl­der­lins Be­zie­hun­gen zu Frau­en schreibt er: »Nie ret­te­ten den Ge­fähr­de­ten in­tel­li­gen­te­re, ferne, ver­hei­ra­te­te Frau­en, auf die er lei­den­schaft­lich her­ein­fiel, weil erst das seine Lyrik be­flü­gel­te.«

Als Höl­der­lin schließ­lich im Haus des Ban­kiers Gon­tard in Frank­furt am Main eine wei­te­re Stel­le als Haus­leh­rer an­trat, nahm sein Leben durch die Be­geg­nung mit des­sen Frau Su­s­et­te eine schick­sal­haf­te Wen­dung, die auch sein Werk nach­hal­tig be­ein­fluss­te. Die Tren­nung von ihr und ihr spä­te­rer Tod be­för­der­te sehr wahr­schein­lich den Aus­bruch sei­ner Krank­heit. Höl­der­lins Be­schäf­ti­gung mit der grie­chi­schen An­ti­ke und der Ar­beit an sei­nem »Hy­pe­ri­on« wid­met der Autor ein ei­ge­nes Ka­pi­tel, eben­so sei­ner Be­geg­nung mit den Je­na­er Früh­ro­man­ti­kern. Weit mehr als Wei­mar war Jena für Höl­der­lin eine wich­ti­ge Sta­ti­on, wenn­gleich sein Be­such bei Schil­ler in Jena miss­glück­te. Im Kreis der Früh­ro­man­ti­ker fand seine Dich­tung An­er­ken­nung; hier lern­te er auch den Stu­den­ten Isaac von Sin­clair ken­nen, der zu einem sei­ner treu­es­ten Freun­de wurde.

Durch zahl­rei­che Ex­kur­se, in denen der Autor Zu­sam­men­hän­ge zu an­de­ren Dich­tern und Schrift­stel­lern, Phi­lo­so­phen und Zeit­ge­nos­sen her­stellt, ver­dich­tet er nicht nur sein er­zäh­le­ri­sches Netz, son­dern zeigt die his­to­ri­schen, ge­sell­schaft­li­chen, po­li­ti­schen und poe­tisch-phi­lo­so­phi­schen Zu­sam­men­hän­ge auf, in denen Höl­der­lin lebte und dach­te. Wie sie be­rei­chern klei­ne Ein­schü­be den nar­ra­ti­ven Faden, sei es zur Mode, sei es über das Rei­sen zu jener Zeit oder zu Er­eig­nis­sen an Ne­ben­schau­plät­zen, die der Autor ge­konnt ein­bin­det. Le­se­ver­gnü­gen bie­ten al­lent­hal­ben poin­tier­te Zu­spit­zun­gen, die Hul­ten­reich als ver­sier­ter Apho­ris­ti­ker zu set­zen weiß. Etwa, wenn er über Schil­ler und Höl­der­lin schreibt: »Beide be­herrsch­ten den uni­ver­sel­len Pro­vin­zia­lis­mus. Ihre be­grenz­te Wirk­lich­keit ent­hielt die Fülle der Welt.« Oder über Höl­der­lins An­tritts­be­such im Hause Gon­tard: »Man­cher be­kommt vom Schick­sal so ge­schickt ein Bein ge­stellt, dass er ein Leben lang strau­chelt.«

Um Höl­der­lins Krank­heit, die nach sei­ner Rück­kehr aus Bor­deaux, wo er seine letz­te Haus­leh­rer­stel­le be­klei­de­te, zur Gänze aus­brach und ihn für 36 Jahre zeich­ne­te, geht es in den letz­ten Ka­pi­teln des Bu­ches. In den ers­ten Jah­ren nach sei­ner Rück­kehr aus Frank­reich ver­moch­te Höl­der­lin die Schran­ken sei­ner Krank­heit, heute sprä­che man von einer bi­po­la­ren Stö­rung, noch ei­ni­ge we­ni­ge Male auf­zu­bre­chen und Gro­ßes mit der Über­set­zung der Tra­gö­di­en »An­ti­go­ne« und »Ödi­pus« von So­pho­kles zu schaf­fen. Am Bei­spiel die­ser Leis­tung zeigt Hul­ten­reich, wie sehr der Dich­ter damit sei­ner Zeit vor­aus war. Selbst Schil­ler be­griff das Weg­wei­sen­de von Höl­der­lins Nach­dich­tung nicht und ver­lach­te den Dich­ter, dem er zeit­le­bens wirk­li­che An­er­ken­nung ver­sag­te. Nur we­ni­ge Freun­de wie Hegel oder Schel­ling hiel­ten zu Höl­der­lin, wenn­gleich es ihnen zu­neh­mend schwe­rer wurde, den Freund von einst noch zu er­ken­nen.

Hul­ten­reich nimmt im Titel sei­nes Bu­ches auf Höl­der­lins 1798 ent­stan­de­nes Ge­dicht »Hälf­te des Le­bens« Bezug, (Mit gel­ben Bir­nen hän­get / Und voll mit wil­den Rosen / Das Land in den See). Auch mit die­sem auf die Mo­der­ne ver­wei­sen­den Ge­dicht war er sei­ner Zeit weit vor­aus. Es waren denn auch die Ex­pres­sio­nis­ten, die Höl­der­lin 1911 für sich ent­deck­ten, und den bis heute gras­sie­ren­den My­thos be­grün­de­ten, Höl­der­lins Krank­heit sei nur vor­ge­täuscht ge­we­sen. Auch damit be­fasst sich Hul­ten­reich und trennt die Spreu vom Wei­zen.

»Höl­der­lin. Das halbe Leben. Eine poe­ti­sche Bio­gra­phie«, ist ein Buch, das sich mit dem Be­griff „Bio­gra­phie“ nur un­zu­rei­chend be­schrei­ben lässt. Ich habe seit lan­gem kein solch geist­rei­ches Buch ge­le­sen, des­sen Autor so gar nicht auf Af­fek­tiert­heit, Ma­nie­ris­men, fal­schen Glanz beim Schrei­ben setzt. Wie treff­lich passt auf sein Schrei­ben der Satz des pol­ni­schen Apho­ris­ti­kers Wies­law Brud­ziński: »Gegen den li­te­ra­ri­schen Strom schwimmt man am leich­tes­ten im klas­si­schen Stil.«

  • Höl­der­lin. Das halbe Leben. Eine poe­ti­sche Bio­gra­phie, Edi­ti­on A. B. Fi­scher, Ber­lin 2018, 208 S., 24,00 EUR

 

Förderverein KirchturmFörderverein zum denkmalgetreuen Wiederaufbau des Turmes der barocken Schlosskirche in Berlin-Buch e. V.

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Posted on 22. Februar 2019. Bookmark the permalink. Kommentare deaktiviert für FV Kirchturm lädt ein zur Benefiz-Lesung.

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